Russlanddeutsche

Ein Volk auf der Wanderschaft von Otto Hertel

Russlanddeutsches Familienfoto

Das Manifest der Zarin: Deutsche zogen gen Osten

Schon lange vor der planmäßigen Ansiedlung deutscher Bauern gab es in Russland Deutsche. Bereits im Mittelalter ließen sich Kaufleute der deutschen Hanse in Nordrussland (Nowgorod) nieder. Unter lwan dem Schrecklichen (1533-1584) wurden vermehrt Fachleute ins Land geholt (Handwerker, Baumeister, Ärzte, Offiziere, Verwaltungsspezialisten und andere). In Moskau entstand eine deutsche Vorstadt (newezkaja sloboda), in der sich Peter der Große als Kind gern aufhielt.  

Peter der Große, der den Prozess der Europäisierung Russlands einleitete, zog viele Deutsche in seine Umgebung. Ebenso besetzten seine Nachfolger verantwortliche Posten in Diplomatie, Verwaltung und Heer mit Deutschen. Besonders viele Deutsche waren im 18. und 19. Jahrhundert an der Akademie der Wissenschaften zu Petersburg beschäftigt. Die von der russischen Regierung immer wieder eingeladenen Deutschen (Wissenschaftler, Ärzte, Künstler, Bauern und auch Fachleute) haben viel zu der kulturellen Entwicklung Russlands beigetragen.  

Eine wesentlich größere Gemeinschaft von Deutschen bildeten die geschlossenen Siedlungsgruppen, die zumeist bäuerlichen Charakters waren. Aus ihnen rekrutierte sich aber seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch ein Teil der städtischen Unternehmer, Ärzte, Handwerker und Geistesschaffende.

Planmäßige Ansiedlung  

Unter Katharina 11. und Alexander 1. erfuhr Russland eine gewaltige Ausweitung des Territoriums. Es galt nun, die den Türken und Krimtataren abgenommenen, kaum besiedelten Gebiete im Süden des Landes der Gesamtwirtschaft nutzbar zu machen, sie zu kultivieren Deshalb erließ Katharina 11. am 22. Juli 1763 ein Manifest, in dem alle Ausländer aufgefordert wurden, sich in Russland niederzulassen. Die wichtigsten Punkte dieses Manifestes lauteten:

  • "Gestatten wir allen Ausländern, in unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jedem gefällig, häuslich niederzulassen. " 
  •  "Gestatten wir ... die freie Religionsausübung nach ihren kirchlichen Satzungen. . . "   
  • "Soll keiner, der nach Russland gekommenen Ausländer, an unsere Cassa die geringsten Abgaben entrichten. . . "

Es wurde Freiheit vom Militär- und Zivildienst versprochen. Das Land wurde den Kolonisten als Gemeingut auf ewige Zeiten überlassen. Es durfte ohne Genehmigung weder verkauft noch abgetreten werden. Die Siedler durften aber zusätzlich Grundstücke von Privatpersonen kaufen. Den Kolonisten wurde ferner das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung gewährt; sie unterstanden direkt der Krone und nicht der inneren Verwaltung des Zarenreichs. Erwähnenswert ist auch die Zusicherung, Russland jederzeit ungehindert verlassen zu dürfen. Das Manifest Alexanders 1. vom 20. Februar 1804 legte besonderen Wert auf "Einwanderer, welche in ländlichen Beschäftigungen und Handwerken als Beispiel dienen können . . ."

Die durch die Zaren versprochenen Privilegien erschienen besonders verlockend angesichts der Not und Missstände, vor allem in Hessen und Südwestdeutschland:

  • Siebenjähriger Krieg,
  • Napoleonische Kriege,
  • fremde Besatzung,
  • politische Unterdrückung durch fremde und eigene Fürsten,
  • Heeres- und Frondienste
  • wirtschaftliche Not,
  • Missernten, Hungerjahre, Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit.

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